STROHAUSER PLATE
Weniger Brutpaare gezählt – Mellumrat tritt für stärkere Vernässung ein
von HENNING BIELEFELD, NordWest-Zeitung 14. Juni 2014
Die Strohauser Plate ist offensichtlich kein Paradies für Wiesenvögel mehr. Denn die Bestände sind stark zurückgegangen, bedauert der Mellumrat, der 1990 die naturschutzfachliche Betreuung der Weserinsel übernommen hat. Deshalb setzt sich der Vorsitzende Dr. Thomas Clemens, Varel, für Veränderungen ein.
Am stärksten ist der Rückgang bei der Uferschnepfe zu spüren, die stark unter Druck steht und deshalb als Leitart unter den Wiesenvögeln gilt. Ihre Bestände auf der Plate sind von 80 Brutpaaren im Jahr 1990 auf jetzt nur 8 Paare zusammengebrochen, bilanziert Thomas Clemens. Beim Kiebitz, dem nach wie vor häufigsten Wiesenvogel, ging es von 85 auf 28 Paare zurück, beim Rotschenkel von 34 auf 7 Paare. 2013 waren es noch 33 Kiebitz-Paare, 23 Uferschnepfen-Paare und 8 Rotschenkel-Familien. Alle Wiesenvogel-Arten sind vom Aussterben bedroht und stehen deshalb auf der Roten Liste.
Die Ursache für den erheblichen Rückgang sieht der Biologe Thomas Clemens im Wasserregime auf der Insel. Während der Brutzeit sei der Boden nicht feucht genug und damit nicht stocherfähig. Die Folge: Die Wiesenvögel finden nicht ausreichend Nahrung.
Thomas Clemens zitiert Beispiele aus anderen vom Mellumrat betreuten oder mitbetreuten Gebieten wie Wangerooge und die Dümmerniederung, wo dank stärkerer Vernässung der Flächen die Zahl der Wiesenvögel sogar wieder zunehme. Auch die Plate biete eine große Chance für die Wiesenvögel.
Dazu sagt Thomas Garden, der bei der Unteren Naturschutzbehörde der Kreisverwaltung auch für die Strohauser Plate zuständig ist, bei Sturmfluten werde das gesamte Grünland hinter dem drei Meter hohen Sommerdeich durchschnittlich vier Mal im Jahr vollständig überflutet. In diesem Jahr seien es zwei Sturmfluten gewesen. Es dauere etwa eine Woche, ehe das Wasser komplett aus dem Land heraus sei. Auch andere Flächen würden in der Regel nicht länger als drei Wochen überstaut, weil das negative Folgen für die Bodenlebewesen habe, nach denen die Wiesenvögel picken. Thomas Clemens wirft ein, dass diese Vernässung nur den Winter und nicht die Brutzeit betrifft.
Ähnlich wie in der Stollhammer Wisch spielten wohl auch Beutegreifer eine große Rolle, benennt Thomas Garden ein weiteres Problem. Zwei Jäger rücken ihnen auf den Pelz, und die Naturschutzverwaltung unterstützt sie, indem sie Kunstbauten für Füchse zur Verfügung stellt, bei denen die Jäger die Ausgänge kennen. Thomas Clemens hält das für nicht ausreichend. Schlimmer noch: Es sei zur Weser hin sogar ein Auwald gepflanzt worden, der Beutegreifer anlocke.
Seit 1990, sagt Garden, habe sich auf der Plate viel geändert. Bewirtschafteten damals noch drei Pächter das Grünland, sei es jetzt nur noch einer auf zwei Betrieben. Er darf keinen Kunstdünger streuen und muss sich bei seinen Mäh-Terminen nach den Bedürfnissen der Vögel richten, die von den beiden Naturschutzwarten des Mellumrates festgestellt werden.
Und er darf etwa ein Fünftel der rund 500 Hektar Schilfflächen abmähen, um die Ernte zu verkaufen. Auch damit hat der Mellumrat Probleme, denn alle Röhrichtbrüter wie etwa der Schilfrohrsänger siedeln sich ausschließlich in altem Röhricht an, wie Dr. Clemens sagt. Als der Pächter 2007 die Erlaubnis zum Schilfmähen bekam, war dies mit der Auflage verbunden, dass die Arbeit wissenschaftlich begleitet wird. Doch das sei bisher nicht geschehen.
Das wird sich aber noch dieses Jahr ändern, sagt Thomas Garden. Das Geld, gut 10 000 Euro, stehe zur Verfügung, der Auftrag werde in Kürze vergeben. Und dann werde wissenschaftlich festgestellt, welche positiven oder negativen Auswirkungen die Schilfmahd habe.
Mit Bedauern registriert Thomas Clemens auch, dass die Strohauser Plate – anders als etwa die Stollhammer Wisch – nicht in das im vergangenen Jahr aufgelegte und 22 Millionen Euro teure Life-Natur-Programm der Landesregierung aufgenommen worden ist. Dies sei eine Entscheidung des Landes gewesen, dem ja die Strohauser Plate gehöre, sagt dazu Thomas Garden.
Auf der Strohauser Plate wird Landwirtschaft betrieben, damit Wiesenvögel wie die Uferschnepfe sich hier ansiedeln. Doch der Mellumrat ist mit der Entwicklung des Bestandes nicht zufrieden.