Presseinfo der Nationalparkverwaltung
16 Freiwillige aus zehn Ländern im Einsatz für die Küstenheide im Nationalpark auf Wangerooge – Langjähriges Projekt zeigt sichtbare Erfolge
An diesem heißen Sommertag steht die Luft schwül und drückend im windgeschützten Heidegebiet westlich des Inseldorfes. Die blühende Besenheide taucht die Dünen in zartes Purpur, Insekten summen, an den Kleingewässern hört man immer wieder ein leises Plantschen, wenn die Schwalben auf Beutezug kurz ins Wasser eintauchen. Nur wenige Wanderer sind unterwegs. Doch unvermittelt stößt man auf kleine Gruppen junger Menschen, die schwer arbeiten und schwitzen, aber offenbar Spaß dabei haben, viel lachen und sich in verschiedensten Sprachen unterhalten.
Mit Spaten, Hacken und Astscheren rücken sie gezielt der Kartoffelrose und der Spätblühenden Traubenkirsche zuleibe. Diese beiden Gehölzarten kommen von Natur aus auf der Insel nicht vor, wurden vor vielen Jahren vom Menschen eingeschleppt und haben beide die Eigenschaft, sich invasiv auszubreiten und alles zu überwuchern. Nicht nur die Heide, auch andere kleine, lichtliebende, gefährdete und deshalb geschützte Pflanzenarten haben so keine Chance mehr. Da hilft nur eines: den so genannten Neophyten entschlossen entgegentreten.
Anfangs standen einige dem Projekt skeptisch gegenüber. Sie hatten sich über die Jahre an die Kartoffelrose gewöhnt und die schleichende Bedrohung der geliebten Heide war vielen nicht bewusst. Zum Auftakt der langjährig angelegten Renaturierungsmaßnahme, im Winter 2010, ließ die Nationalparkverwaltung dann auch noch Bagger anrollen, um erst einmal großräumig Luft zu schaffen und die Rohbodenverhältnisse wieder herzustellen, die die Pionierpflanzen der Heidegesellschaft zwingend benötigen. Bagger im Schutzgebiet – das konnten einige nicht nachvollziehen. Doch dieser einmalige „brachiale“ Eingriff war nur die notwendige Initialzündung für die weitere Pflege und Entwicklung. Schon nach wenigen Monaten war zu erkennen, wie die Heidepflanzen das Areal dankbar annahmen.
Dann kam die erste Gruppe von Freiwilligen der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste (ijgd), um in behutsamer Handarbeit den Neuaufwuchs von Kartoffelrose und Traubenkirsche zu entfernen. Seitdem – nun zum 7. Mal in Folge – gehört die engagierte multikulturelle Einsatztruppe zum hochsommerlichen Bild im Heidegebiet und die fleißigen jungen Leute sind gern gesehene aktive Gäste. Die Inselgärtnerei unter Leitung von Rolf Kretzberg unterstützt die Gruppe bei Abtransport und Entsorgung des Strauchguts. Bürgermeister Dirk Lindner hat die frisch eingetroffene Gruppe persönlich begrüßt.
Die „Küstenheide“-Camps werden in bewährter Kooperation zwischen Nationalparkverwaltung, ijgd und dem Mellumrat organisiert. Norbert Hecker, Botaniker bei der Schutzgebietsverwaltung, ist für das fachliche Konzept zuständig, kümmert sich aber auch um Unterkunft, Werkzeuge und anderes, was die Freiwilligen benötigen. Alina Domass, Annika Hartmann, Jan Ulber und Mathias Heckroth, Mitarbeiter des Mellumrates, sind als orts- und sachkundige Betreuer beim Einsatz mit der Gruppe im Gelände. Hilke Steevens, Projektreferentin für Internationale Workcamps beim ijgd-Landesverein Niedersachsen e. V. (Hildesheim), kümmert sich um „Rekrutierung“ der Freiwilligen und Finanzen.
„Unser besonderer Dank geht an die Niedersächsische Bingo-Umweltstiftung und die Naturschutzstiftung Friesland-Wittmund-Wilhelmshaven, die auch in diesem Jahr dieses erfolgreiche Projekt gefördert haben“, sind Norbert Hecker und Hilke Steevens sich einig. „Ohne diese großzügige finanzielle Unterstützung könnten wir das Camp nicht realisieren“.
Die Work-Camps werden von den ijgd international ausgeschrieben – das Wangerooger Camp ist immer schnell ausgebucht. In diesem Jahr sind es 16 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 22 Jahren, zwei davon als Teamleiterinnen. Die weiteste Anreise haben Yu-Hsuan (Taiwan) und Jinhee (Südkorea) auf sich genommen. Camila und Alejandra kommen aus Peru bzw. Argentinien; sie verbringen beide ein Austauschjahr in Deutschland. Anna und Anastasija sind extra aus Russland angereist, Verner aus Estland, Nuria und Dario aus Spanien, Paulo und George aus Italien, Florian aus Österreich. Aus Deutschland kommen die beiden Freundinnen Alexa und Johanna sowie Teamleiterin Rebecca, die sich die Verantwortung mit Malene aus Dänemark teilt.
Die Motive für die Entscheidung, in den Ferien zu „schuften“ statt zu faulenzen, sind vielfältig. Keiner der diesjährigen Teilnehmer, sie sind alle Schüler oder Studierende, plant einen beruflichen Werdegang im Naturschutz, aber alle verbindet der Wunsch, aktiv etwas für den Erhalt der Natur zu tun. Weitere Beweggründe sind, Gleichaltrige aus anderen Ländern und deren Kultur kennenzulernen oder eigene Sprachkenntnisse – Deutsch oder Englisch – zu verbessern. Eine Teilnehmerin wurde durch ihre Mutter motiviert, die selbst früher bei ijgd-Camps dabei war.
„Zurück in den Heimatländern, sind diese jungen Freiwilligen internationale Botschafter für das Weltnaturerbe Wattenmeer“, ist Imke Zwoch überzeugt, die das Freiwilligenprogramm im Nationalpark koordiniert. Ein gern gesehener Nebeneffekt der Gruppeneinsätze. doch die Hauptsache ist: Über die Jahre lässt sich eine erfreuliche Entwicklung der Heidepflanzen und anderer botanischer Kostbarkeiten feststellen, die vom Druck der invasiven Gehölze befreit wurden. Diese muss man langfristig weiterhin im Auge behalten, sie werden immer wieder versuchen, sich durchzusetzen. Doch aktuell waren Norbert Hecker und seine Mitstreiter positiv überrascht, dass auf einzelnen Teilflächen des Projektgebietes kein einziger Trieb der Neophyten zu finden war: „Die Freiwilligen haben in den letzten Jahren fantastische Arbeit geleistet“.