Weißwangengans ist Seevogel des Jahres 2021

Der Verein Jordsand hat die Weißwangengangs zum Seevogel des Jahres 2021 gekürt.

Weißwangengans Foto: Thorsten Runge, Verein Jordsand

Durch starke Schutzbemühungen und das Ende der intensiven Bejagung lassen sich heute wieder eindrucksvolle Ansammlungen von hunderttausenden dieser schönen Vögel an der Nordseeküste -wie beispielsweise im nordfriesischen Hauke-Haien-Koog- beobachten. „Die Weißwangengans ist ein Symbol für erfolgreiche Naturschutzmaßnahmen und heute zugleich eine Attraktion für Touristen und Naturliebhaber an der Nordseeküste“, sagt Dr. Steffen Gruber, Geschäftsführer des Vereins Jordsand.
An der deutschen Küste werden die Weißwangengänse allerdings nicht nur positiv gesehen. Die stark gewachsene Gesamtpopulation der Weißwangengans als auch ihre längere Verweildauer erzeugen einen zunehmenden Druck auf landwirtschaftliche Flächen. Die Tiere bleiben in Niedersachsen und Schleswig-Holstein teilweise bis in die zweite Mai-Hälfte hinein und ziehen erst dann in ihre russischen Brutgebiete ab. “Der Verein Jordsand ernennt jedes Jahr einen besonderen Seevogel, der unser aller Aufmerksamkeit verdient”, bekräftigt Mathias Vaagt, Erster Vorsitzender des Vereins, “die im Volksmund auch gerne als ‘Nonnengans’ bezeichnete Art ist aktuell schwer ‘unter Beschuss’, weil Interessensverbände eine deutliche Bestandsverringerung dieser schönen Wildtiere fordern, um die Gänseschäden zu minimieren. Das halten wir für absolut unangemessen und auch nicht notwendig.”

Die Weißwangengans ist durch die EU-Vogelschutzrichtlinie geschützt und darf nicht regulär mit dem Ziel der Bestandsreduktion bejagt werden. Trotzdem werden jährlich schon mehr als 50.000 Weißwangengänse in der EU zur Vergrämung abgeschossen. Es gibt jedoch bereits Lösungen für Landwirtschaft und Naturschutz. „Es müssen genügend, große Gebiete bereitgestellt werden, in denen die Gänse gut geschützt leben können. Auf landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen können zusätzlich Vergrämungsmaßnahmen ohne Abschuss durchgeführt werden“, so Gruber. Zudem ist der Anbau von Sommergetreide und Leguminosen wie Ackerbohne und Futtererbse eine gute Alternative.

Die Herausforderung liegt allerdings darin, dass immer mehr klassisch beweidetes und extensiv genutztes Grünland in monotones Intensiv-Grünland oder Ackerland umgewandelt wurde und dieser Trend auch noch anhält. Intensiv-Grünland und Raps- bzw. Wintergetreideflächen, auf denen energiereiche Pflanzenbestände wachsen, sind für Weißwangengänse attraktiv. Dadurch entstehen Konflikte mit der Landwirtschaft. Auch viele andere Tier- und Pflanzenarten, insbesondere verschiedene Wiesenbrutvögel, verlieren durch Intensiv-Grünland ihren Lebensraum. „Das Ziel muss es daher sein, landwirtschaftlich extensiv genutzte und zum Teil feuchte Grünland-Lebensräume, die sowohl für Gänse als auch für Wiesenbrutvögel ideal sind, wieder auszuweiten“, fordert Gruber. „Ein Weg dahin könnten monetäre Anreize für Landwirte zur Ausweitung von extensivem Grünland sein. Vergrämungsmaßnahmen müssen so gestaltet sein, dass brütende Wiesenvögel nicht darunter leiden. Und der Anbau von Sommergetreide und Leguminosen wie Ackerbohne und Futtererbse sollte durch die Landwirtschaftskammern und die Agrarwissenschaftlichen Fakultäten an unseren Hochschulen weiter beleuchtet und transportiert werden.“ So könnte die Weißwangengans als Seevogel des Jahres 2021 zu einer Win-Win-Win-Situation für Gänse, Wiesenvögel und Landwirtschaft beitragen.