Der Kiebitzregenpfeifer – unscheinbar und wenig bekannt?

Wilhelmshaven – Der Kiebitzregenpfeifer ist Titelvogel der diesjährigen Zugvogeltage im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Ein Symposium, das sich dieser Vogelart widmete, brachte wichtige und zum Teil überraschende Erkenntnisse.

 

Kiebitzregenpfeifer im Brutgebiet Kolguev Foto: G. Reichert“Der Kiebitzregenpfeifer – unscheinbar und wenig bekannt?”  Unter diesem Titel veranstaltete die Nationalparkverwaltung “Niedersächsisches Wattenmeer” zusammen mit der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft (DO-G) und dem Institut für Vogelforschung “Vogelwarte Helgoland” am 4. Mai 2022 ein Symposium in Wilhelmshaven.

Im neu gestalteten Vortragssaal des UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer Besucherzentrums konnten sich 40 Teilnehmende aus Wissenschafts- und Naturschutzeinrichtungen sowie weitere Interessierte zu einem direkten Austausch treffen. Zusätzlich nahmen Referierende aus Portugal, England und Ostfriesland online an der Tagung teil.

Auf diesem Symposium wurde der aktuelle Wissensstand zum Kiebitzregenpfeifer im Wattenmeer zusammengetragen – als Grundlage für Schutzkonzepte für diese Art, aber auch als Einstimmung auf die im Oktober stattfindenden 14.

Zugvogeltage im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer.

Das Wattenmeer ist der zentrale Rastplatz auf den Wanderungen zwischen Brut- und Überwinterungsgebieten für diesen in der Arktis brütenden Vogel. Im Rahmen der Zugvogelforschung werden Kiebitzregenpfeifer mit Satellitensendern ausgestattet. Genaue Aufzeichnungen ihrer Zugrouten bestätigen diese besondere Bedeutung des Wattenmeeres,  offenbaren allerdings auch so einige Überraschungen: Der Zug ins Wattenmeer erfolgt in mehreren kurzen Etappen; beim Weiterzug in die Brut- oder Überwinterungsgebiete hingegen können die Kiebitzregenpfeifer mit den im Wattenmeer angelegten Energie-Reserven große Strecken am Stück zurücklegen.

Diese Reserven können sie sich allerdings nur anfressen, wenn sie die komplette Zeit, in denen die Wattflächen frei liegen, ungestört zur Nahrungssuche nutzen können. Die Vögel haben hier keine Zeit zu verlieren.

Kiebitzregenpfeifer haben gegenüber anderen Watvogelarten eine sehr spezialisierte Art der Nahrungssuche: Sie beobachten die Wattoberfläche und laufen dann schnell und gezielt an die Stelle, an der sich ein Nahrungsorganismus durch Bewegungen verraten hat. Im Wattenmeer sind Würmer die Hauptnahrung, in den Überwinterungsgebieten werden hingegen vor allem kleine Winkerkrabben gefressen, die auf den dortigen Watten umherlaufen; eine kleine weitere Überraschung für die Teilnehmenden des Symposiums.

Aus den regelmäßigen Bestandserfassungen im Wattenmeer kann man den Eindruck gewinnen, dass die Anzahl der Kiebitzregenpfeifer über die letzten 30 Jahre konstant geblieben ist. Tatsächlich aber nimmt der Gesamtbestand des Kiebitzregenpfeifers seit 2010 ab. Dies wissen wir durch Zählungen, die entlang des gesamten Ostatlantischen Zugweges von Norwegen bis Südafrika durch die Wadden Sea Flyway Initiative organisiert werden. Vor diesem Hintergrund war es wichtig, auch Informationen aus den arktischen Brutgebieten und den afrikanischen Überwinterungsgebieten zu erhalten.

Inwiefern Umweltveränderungen den Bestandsrückgang der Kiebitzregenpfeifer beeinflussen, ist im Vergleich zu anderen Watvogelarten bislang wenig erforscht. Hier besteht dringend Nachholbedarf.

Ein wichtiger zusätzlicher Aspekt, der möglicherweise einen immer stärkeren Einfluss auf Zugvögel hat, wurde im Rahmen des Symposiums auch beleuchtet:

die immense Zunahme der Lichtverschmutzung unserer Landschaft, durch die die Orientierung der Zugvögel beeinflusst wird.

Insgesamt zeigte sich, dass der Kiebitzregenpfeifer als Kosmopolit auf einen guten Zustand vieler Gebiete entlang seiner Zugrouten angewiesen ist, ohne die seine Wanderungen und sein Überleben nicht gesichert sind. Dem UNESCO-Welterbe Wattenmeer, das einen über 10.000 km2 großen  Lebensraum überspannt, kommt hierbei eine überragende Bedeutung zu.