Tempolimit im Wattenmeer

Naturschutzorganisationen fordern: Neue Befahrensverordnung für die Nationalparke muss Schutz stärker berücksichtigen

Hamburg/Husum, 8.11.2021: Die für das deutsche Wattenmeer aktiven Natur- und Umweltschutzorganisationen
kritisieren, dass das Bundesverkehrsministerium den Boots- und Schiffsverkehr in den drei Wattenmeer-Nationalparken zu Lasten des Naturschutzes regeln will. Der Entwurf für eine neue Befahrensverordnung* fällt weit hinter das mindestens erforderliche Schutzniveau mit ausreichenden Ruhezonen und Geschwindigkeitsbeschränkungen zurück.

Besonders kritisch sehen die 20 Naturschutzverbände, dass die vom Bundesverkehrsministerium vorgeschlagene neue Verordnung zu viele Schnellfahrtstrecken ausweist, zu viele und zu große Teile der Schutzgebiete für das Kitesurfen freigibt und zu viele zusammenhängende Schutzbereiche durch kleine Fahrwasser durchschnitten werden. Daraus resultieren nicht nur steigender Unterwasserlärm und vermehrte Störungen der Wattenmeervögel, die für Rast und Nahrungssuche auf die Nationalparke angewiesen sind. Schnellfahrtstrecken führen auch zu mehr Treibstoffverbrauch von Schiffen und damit einem erhöhten Klimafußabdruck.

Die Naturschutzverbände bekennen sich zwar grundsätzlich zu einer Befahrbarkeit des Wattenmeeres zum Beispiel durch Fähren, Ausflugsschiffe oder den Wassersport, fordern aber dabei den Respekt vor der Natur ein. „Damit die Nationalparke ihren Schutzzielen tatsächlich gerecht werden können, braucht es vor allem ausreichend große Ruhezonen, klare Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie eine Beschränkung des Kitesurfens auf dafür geeignete Gebiete. Der Entwurf der neuen Verordnung hat hier deutliche Defizite. Die Umsetzung würde ein wertvolles natürliches Ökosystem mit globaler Bedeutung gefährden, das von der UNESCO sogar als Weltnaturerbe anerkannt wurde“, so die Verbände.

Grundsätzlich ist eine Aktualisierung der bislang geltenden und noch aus den 90er Jahren stammenden
Befahrensverordnung für die Wattenmeer-Nationalparke längst überfällig, erklären die Organisationen. Zuständig dafür ist das Bundesverkehrsministerium, weil das Wattenmeer immer dann formal zur „Bundeswasserstraße“ wird, wenn es bei Flut von Wasser bedeckt ist. „Die in der alten Befahrensregelung ausgewiesenen Schutzzonen entsprechen schon seit 20 Jahren nicht mehr denen, die durch die Nationalparkgesetze der Bundesländer zum Schutz der Natur vorgesehen sind. In Zeiten von Klimakrise und Artensterben dürfen wir beim Schutz keine Rückschritte machen. Eine neue Verordnung muss den Schutz der Natur verbessern, nicht untergraben,“ unterstreichen die Verbände. Um eine angemessene Befahrbarkeit des Wattenmeeres zu ermöglichen, waren die Naturschutzverbände weit auf die Reedereien und den Wassersport zugegangen und hatten einen vor Ort an der Nordseeküste erzielten Kompromiss akzeptiert. Dieser wurde durch die Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen im Mai 2017 dem Bundesverkehrsministerium als Grundlage für eine neue Regelung vorgeschlagen. „Dies war und ist ein tragfähiger Kompromiss, der schon erhebliche Zugeständnisse des Naturschutzes mit sich brachte.

Die nun geplante Verordnung verwässert diese Lösung weiter zu Lasten der Umwelt. Das ist nicht akzeptabel und verstößt gegen die Vorgaben des europäischen Naturschutzrechtes“, kritisieren die Verbände.
Problematisch ist auch, dass das Bundesverkehrsministerium die Verordnung offenbar noch schnell als lediglich geschäftsführende Bundesregierung erlassen will. Inkrafttreten kann die Verordnung jedoch nur mit Zustimmung des Bundesumweltministeriums. Die Naturschutzverbände rechnen damit, dass dieses der Verordnung nicht zustimmt, falls sie für die Natur schlechter ausfällt als der vor Ort zwischen allen Beteiligten gefundene Kompromiss.

* Entwurf einer „Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee“
(NordSBefV).