Dank moderner Satellitentechnik lassen sich die eindrucksvollen Reiserouten unserer Zugvögel gut nachvollziehen. So wurde jetzt auf Juist ein brütender Löffler entdeckt, der zuvor das ganze Wattenmeer erkundet hatte, ehe er sich auf der niedersächsischen Wattenmeer-Insel zur Brut niederließ.
Unterwegs im Dienst der Wissenschaft: 2018 wurde auf der westfriesischen Insel Schiermonnikoog ein dort geschlüpfter Löffler mit einem Satellitensender versehen. Anhand des GPS-Trackings lässt sich nachvollziehen, dass er zunächst viele Orte im Wattenmeer anflog, bis er sich jetzt dafür entschieden hat, auf Juist zu brüten. Der Juister Nationalpark-Ranger unterstützt die Forschenden durch Auslesen und Übermittlung der Flugdaten.
Seit 1996 bilden sich wieder Brutkolonien des Löfflers auf den niedersächsischen Inseln, wo mittlerweile über 2000 Paare gezählt werden. Lange waren die eindrucksvollen, bis zu 80 cm großen Vögel mit dem auffallenden Kopfschmuck fast komplett aus dem Wattenmeer verschwunden. Durch Einrichtung des Nationalparks wurden auch die geeigneten Bruthabitate wie höher gelegene Salzwiesen und feuchte Dünentäler geschützt, wodurch die positive Entwicklung angestoßen wurde.
Durch moderne Forschungsmethoden wie Satellitensender wollen Fachleute des königlichen niederländischen Meeresforschungsinstitutes (NIOZ) und der Universität Groningen herausfinden, welche Wege ein Jungvogel zurücklegt, bis er seine Wahl für ein passendes Brutgebiet trifft. Der Löffler mit der Projekt-Nummer 6385 nutzte seine Jugend, um die Küsten des europäischen Kontinents zu bereisen, bis er sich letztendlich für Juist entschied. Er schlüpfte im Jahr 2018 auf Schiermonnikoog und verbrachte seinen ersten Winter in der Nähe von Lissabon. In den Jahren 2019 und 2020 erkundete er das Wattenmeer von den Niederlanden bis nach Dänemark. 2021 kam er über Guérande (Frankreich) zunächst zurück auf seine Heimatinsel Schiermonnikoog (Niederlande). Anschließend machte er einen Abstecher nach Søndervig (Dänemark), kehrte dann um und ließ sich auf Juist nieder.
Unter zahlreichen Löffler-Kolonien im Wattenmeer entschied sich Nr. 6385 mit Juist für den Platz, an dem er nach eigener Einschätzung den besten Bruterfolg hat. Neben der eigenen Körperkonstitution spielen hier wohl die Umgebung und die sozialen Interaktionen mit anderen Löfflern eine entscheidende Rolle. Dies soll in dem Projekt, in dessen Rahmen die Besenderung stattfand, näher untersucht werden.
“Diese Internationalität des Löfflers verdeutlicht, dass Natur-, Umwelt- und Klimaschutz globale Herausforderungen sind. Überwinterungs-, Brut- und Rastgebiete müssen gleichermaßen geschätzt werden, um den Bestand der Zugvögel erfolgreich sichern zu können” – betont Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer. Die beteiligten Forschungseinrichtungen sind international miteinander vernetzt. So können sich die Forschenden des NIOZ und der Universität Groningen, die den Löffler auf Schiermonnikoog besendert haben und seine Route verfolgen, mit Vogelkundigen vor Ort in Verbindung setzen. Auf Juist trat Nationalpark-Ranger Markus Großewinkelmann in Aktion. Er näherte sich Nr. 6385 vorsichtig an und konnte so über Funk die auf dem Sender gespeicherten Flugdaten auslesen, um sie an das NIOZ zu übertragen.
Das Verhalten der Zugvögel wird seit langem beobachtet. Die Analyse eines seit Jahrzehnten laufenden Beringungsprojektes der Werkgroep Lepelaar zeigte, dass im Lauf der Zeit immer mehr Löffler in Portugal und Spanien überwintern und dort offenbar bessere Überlebenschancen haben als Artgenossen, die in das ursprüngliche Überwinterungsgebiet Mauretanien ziehen. Wie üblich folgen auf eine Erkenntnis viele neue Fragen. Modernere Methoden, wie das Besendern von juvenilen (jungen) Löfflern, ermöglichen genauere Einblicke ins Zug- und Ansiedlungsverhalten. Die Forschenden des NIOZ erhoffen sich mit diesem Projekt, mehr über das Sozialverhalten der Tiere zu erfahren, das vermutlich auch das Zugverhalten prägt. Forschungsprojekte wie dieses helfen, die Beziehung des Wattenmeers zu anderen Regionen entlang der Vogelzugroute zu verstehen. Für einen Zugvogel müssen alle Stationen des Zugweges die notwendigen Ressourcen bereithalten, um sein Überleben zu sichern. Hieran zeigt sich die globale Verantwortung zum Erhalt der Biodiversität.
Die stetige Zunahme der Löffler-Population stellt eine Erfolgsgeschichte der trilateralen Wattenmeer-Zusammenarbeit dar. Näheres zur Entwicklung der Brutpopulation im Wattenmeer findet sich im TMAP Statusbericht zum Bestand der Brutvögel https://www.waddensea-secretariat.org/de/node/1288.