Resolution zum Schutz der Ostsee

Ahrensburg. 30.11.2023. Der Verein Jordsand, der seit 101 Jahren das Naturschutzgebiet Oehe-Schleimünde, sowie Schutzgebiete an der vorpommerschen Ostseeküste rund um Rügen betreut, hat einstimmig eine Resolution zum Schutz der Ostsee verabschiedet. Mit Sorge benennt der Naturschutz-Verein darin den schlechten Zustand der Schutzgüter der Ostsee: Allen voran den der Gewässerqualität, der Anzahl überwinternder Meeresenten, sowie See- und Lappentaucher, der Bestände der Schweinswale und besonders den der Fischbestände.

„Der Zustand der Ostsee ist dramatisch. Sie leidet seit Jahrzehnten an einer Überbelastung mit Nährstoffen, konkret den zu hohen Einträgen von Stickstoff und Phosphor aus der Landwirtschaft. Die zunehmende Erwärmung der Ostsee durch den Klimawandel verschärft diese Situation mit bedrohlich niedrigen Sauerstoffwerten in schon 15 Meter Wassertiefe. Die Werte der Nährstofffrachten aus den zuleitenden Flüssen in Deutschland sind genau bekannt, sie erreichen bis auf wenige Ausnahmen NICHT die gesetzten Grenzwerte. Beim Stickstoff zeigt sich in den letzten Jahren sogar ein Anstieg der Werte. Diese Belastungen, in Kombination mit dem Klimawandel und der Erwärmung der Ostsee führen zum Kollaps der Ökosysteme und zum Zusammenbruch der Fischbestände.“ sagt Dr. Veit Hennig, 1. Vorsitzender des Vereins Jordsand und Dozent für Tierökologie und Naturschutz, Universität Hamburg.

Der Verein Jordsand fordert massive Anstrengungen zur Reduktion der Nährstoffeinträge, vor allem aus der Landwirtschaft. Ebenso sei eine Umstellung der Fischerei auf ein verträgliches Maß, angepasst an den schlechten Zustand der Fischbestände unausweichlich. Die Bestände der fischereilichen „Brotfischarten“ der Ostsee, Hering und Dorsch, sind durch schlechte Wasserqualität, Überfischung und Auswirkungen des Klimawandels kollabiert. Im sechsten Jahr in Folge rät der ICES (International Council for the Exploration of the Sea) zu einer Schließung der Fischerei auf den Hering – erfolglos. Für den Dorsch können Bestandszahlen nicht mehr abgeschätzt werden.

„Wesentliche Ursachen für den Rückgang der Fische sind bekannt, Alibi-Diskussionen, um die Auswirkungen von Kormoranen, wie sie momentan breit in den Medien gestreut werden, leiten irre und verschleppen notwendige Lösungsansätze. Menschliches Handeln ist der Auslöser des Problems und somit kann nur menschliches Handeln die Lösung sein. Wer das mit Verweis auf Kormoran, Kegelrobbe und Schweinswal zu verschleiern und die Öffentlichkeit für dumm zu verkaufen versucht, sollte dringend aufrichtig zu sich und anderen sein, ansonsten können wir die Ostsee schlichtweg aufgeben, übrigens auch als Badegewässer.“ wird Dr. Veit Hennig deutlich.

Verendete Reiherente; erwachsenes Männchen Foto ©Katie Mähler/Sea Shepherd DeutschlandAls maßgeblicher negativer Faktor für die Bestände von Schweinswalen und Meeresenten ist die Stellnetzfischerei bekannt. Die Anzahl der Todfunde von Schweinswalen an der Ostsee stieg in den letzten Jahren stark an. Und der Rückgang der Bestände einiger Seevogelarten ist ebenso besorgniserregend: so ist der Bestand der Eisenten von geschätzten 5 Millionen Tieren in den letzten 25 Jahren auf 1 Million Tiere zusammengebrochen. Klimawandel mit Ökosystemveränderungen und Stellnetzfischerei werden europaweit als maßgebliche Verlustursachen gesehen. Der Verein Jordsand fordert daher eine Überarbeitung der sogenannten „Freiwilligen Vereinbarung“ der Stellnetzfischerei hin zu verpflichtenden Schutzmaßnahmen aller Fischer, die transparent und wissenschaftlich begleitet werden: Dokumentation der gesamten Stellnetzfischerei mit GPS-Daten der Netze, Stellnetzlängen und vollständigen Beifangmeldungen von Schweinswalen.

Vollständig geschützte störungsfreie Totalschutzgebiete ohne Fischerei müssten ausgewiesen und Befahrensregelungen mit einem Tempolimit für Schnellboote entwickelt werden. Für eine Transformation des traditionsreichen Berufsstandes der Fischer ist das SeaRanger-Konzept in Mecklenburg-Vorpommern ein gutes Vorbild, das Aufgaben wie Lebensraummonitoring und Öffentlichkeitsarbeit zum Meeresschutz mit reduzierter Fischereiaktivität kombiniert und so eine zukunftsweisende Alternative für die Fischerei auch in Schleswig-Holstein bietet.

Auch sei eine Bewusstseinsbildung notwendig, die den Wert der Unterwasserlebensräume wie Seegraswiesen, Riffe und ungestörte Miesmuschelbänke erkennt: Seegraswiesen sind ein idealer Lebensraum für viele Fischarten, Laichbereich für den Hering und gleichzeitig ein enormer Speicher für CO2. Ungestörte Miesmuschelbänke sind Lebensraum für unzählige Wirbellose und fischereilich unbedeutende typische Ostseefischarten.

Ebenso wird der Schutz der Strandlebensräume und Salzmarschen bisher im Ostseeraum vernachlässigt. Der Verein Jordsand beobachtet eine zunehmende Übernutzung der küstennahen Ostseebereiche durch Wassersport und Tourismus. Im Rahmen der, nach der Sturmflut vom 20. Oktober notwendigen Küstenschutzmaßnahmen, müsse das Hauptaugenmerk auf den Schutz der Küstenlebensräume gerichtet werden. Der Verein Jordsand fordert die Entwicklung eines ausgeglichenen Gesamtkonzeptes für die Ostseeküste, bei dem Küstenschutz, Renaturierung von Salzmarschen, Bestandsschutz dynamischer Küstenelemente wie Nehrungshaken sowie störungsfreie Strandabschnitte in Abstimmung mit der Freizeitnutzung ein zukunftsfähiges Gleichgewicht bilden.

Für alle Schutzaspekte sieht der Verein Jordsand akuten und konsequenten Handlungsbedarf. Nachdem der Meeresschutz immer stärker in Gesellschaft und Politik thematisiert wird, müssten konkrete Umsetzungen erfolgen. Das sei bisher für die Ostsee nicht der Fall. Daher sieht der Naturschutz-Verein einen Nationalpark Ostsee in Schleswig-Holstein als das geeignete und notwendige Instrument an, dessen Konsultationsprozess er von Beginn an inhaltlich begleitet.

In der Vergangenheit hat der Verein schon die Entwicklung des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer begleitet, da die meisten seiner Schutzgebiete dort liegen. Diese Erfolgsgeschichte – nach anfänglich großer Skepsis – sieht er als Lösung auch für den Schleswig-Holsteinischen Ostseebereich.

Die Resolution wurde von der Jahreshauptversammlung der Mitglieder des Vereins am 25.11.2023 einstimmig verabschiedet. Der seit 116 Jahren für den Schutz von Seevögeln an unseren Küsten tätige Verein Jordsand betreut rund 20 Schutzgebiete an Nord- und Ostsee. 

Weiterführende Links:

Der Bericht der Helsinki Kommission (HELCOM) über den Zustand der Ostsee 2023: https://helcom.fi/wp-content/uploads/2023/10/State-of-the-Baltic-Sea-2023.pdf

Kurzversion: https://helcom.fi/wp-content/uploads/2023/10/State-of-the-Baltic-Sea-2023-in-brief-final-2.pdf

Die Zustandsbewertung für die deutschen Meeresgewässer (zur Umsetzung der europäischen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie): https://mitglieder.meeresschutz.info/files/meeresschutz/berichte/art8910/zyklus2024/Entwurf_Zustandsbericht-2024_Ostsee_2023-10-15.pdf

Zu den Belastungen mit Stickstoff und Phosphaten (u.a. Schleswig-Holstein): https://mitglieder.meeresschutz.info/files/meeresschutz/berichte/art8910/zyklus2024/Entwurf_Zustandsbericht-2024_Anlage_1_Ostsee_2023-10-15.pdf